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"Es war die Hölle auf Erden"

DekanatKranzniederlegung

Rund 200 Menschen haben am Sonntag, 11. September, beim Ökumenischen Gottesdienst der Darmstädter Brandnacht 1944, der Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington, des Ukraine-Kriegs und allen Opfern von Krieg und Gewalt gedacht. Oberbürgermeister Jochen Partsch hielt eine Ansprache, die Predigt hielt Dr. Manfred Göbel.

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DekanatDr. Manfred Göbel

„Es war die Hölle auf Erden“
Ökumenischer Brandnachtgottesdienst in der Evangelischen Stadtkirche am 11. September 2022


„Destroy the Town“ – Oberbürgermeister Jochen Partsch führte das Grauen des 11. Septembers 1944 in Darmstadt eindrücklich vor Augen. Das Ziel, die Stadt zu zerstören, der Auftrag der Briten, war in wenigen Minuten erfüllt. Kein Wort im Bericht der Royal Air Force über die Menschen in der Stadt, kein Wort über die Opfer. Heute ist sicher, dass es mehr als 11000 waren. Für die Darmstädter war die Wirklichkeit eine andere, so Partsch: „Es war die Hölle auf Erden.“ Noch um vier Uhr am Morgen des 12. Septembers wurden 1000 Grad in der Stadt gemessen, überall Feuer und zu Klumpen geschmolzene Leichen.

Vor der Ansprache des Oberbürgermeisters hatte der evangelische Dekan Dr. Raimund Wirth, der mit dem Leitenden des Pastoralraums Darmstadt-Mitte, Pfarrer Dr. Christoph Klock, den ökumenischen Gottesdienst leitete, Zitate aus dem Darmstädter Wort von 1947 vorgetragen. „Wir sind in die Irre gegangen“ heißt es da. Dieser Irrgang habe schon viel früher begonnen, nahm Partsch die Worte auf. Als am 9. November 1938 erstmals Häuser brannten, habe es auch in Darmstadt, einer Nazi-Hochburg, „willige Vollstrecker“ gegeben.

Das Gedenken am diesjährigen 11. September bringe viele weitere Gedenken mit sich. Nicht weit von hier sehe man seit dem 24. Februar 2022 Verwüstungen, rannten Menschen um ihr Leben, wie man es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht für möglich gehalten hätte, so Partsch. Wie soll man als Christ diesem Krieg begegnen, fragte Partsch. Wenn man die andere Wange hinhielte, die Waffen streckte, würde dies das Leid nicht beenden, sondern nur vergrößern, vertrat Partsch. Er rief auf, wachsam zu sein und politischen Führern, die andere herabwürdigen und ausgrenzen, zu widerstehen. Erinnern, trauern, mahnen, das sei man nicht nur den Opfern der Brandnacht, sondern allen Opfern von Krieg und Gewalt in Europa und der Welt schuldig. „Es darf keine Darmstädter Brandnacht mehr geben und was dazu geführt hat“, so Partsch, „das ist das Wichtigste.“

Dr. Annette Laakmann, Vorsitzende der Synode und des Synodalvorstands des Evangelischen Dekanats Darmstadt, begrüßte die rund Gottesdienstgäste. Unter der Leitung von Kantor Christian Roß sang die Darmstädter Kantorei die Stücke „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger, „Peace I leave with you“ von Knut Nystedt und Felix Mendelssohn Bartholdys „Der Herr wird die Tränen von allen Gesichtern abwischen“. Jorin Sandau, katholischer Regionalkantor in St. Ludwig, begleitete die Gemeindelieder an der Orgel und spielte das Nachspiel, die Fantasie in c-Moll von Bach. Rund 200 Menschen waren zum ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken der Darmstäter Brandnacht am 11. September 1944, der Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington und aller Opfer von Krieg und Gewalt in die Evangelische Stadtkirche in Darmstadt gekommen.

Die Predigt hielt Dr. Manfred Göbel, früherer Leiter der katholischen Edith-Stein-Schule in Darmstadt. Er erzählte die Geschichte des Darmstädter Jesuiten Johannes Baptist Lotz, der früher als geplant nach Darmstadt gefahren sei und so die Brandnacht miterlebt und überlebt habe. Lotz versuchte laut Dr. Manfred Göbel zu Verwandten in Bessungen zu gelangen, doch die waren ausgebombt, also machte er sich mit vielen Fliehenden auf den Weg nach Neunkirchen, wo seine Eltern und Geschwister waren. 66000 seien es laut Dr. Manfred Göbel gewesen, die aus der Stadt flohen. Der Weg zurück in den nächsten Monaten sei schwierig gewesen, da kein Wohnraum in der Stadt zur Verfügung stand. Lotz‘ Eltern und sein Bruder konnten jedoch Räume in der Sandbergstraße mieten und ihre Schuhmacherei wiederaufbauen. Tausende Heimatvertriebene trugen noch zur Verschärfung der Versorgungslage in Darmstadt und im Landkreis bei. Göbel zitierte die Bibelstelle „Denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz“ aus dem zweiten Buch Mose und mahnte, dass man „heute nicht weit schauen muss, um die zeitlose Bedeutung dieses Bibelworts zu erkennen“. Eine Grundhaltung der Barmherzigkeit bewirke echtes Mitgefühl, was wiederum „tätige Nächstenliebe“ fordere.

Anschließend beteten die Liturgen die Litanei der Versöhnung von Coventry von 1959. Bei den Fürbitten beteiligten sich neben Dr. Annette Laakmann, Dr. Christoph Klock und Dr. Raimund Wirth auch Maximilian Frank von der Evangelischen Jugendvertretung Darmstadt und Evangelos Kyprianidis von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Darmstadt. Die Kollekte war für Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International, hier gezielt für die Ukraine- und Pakistan-Hilfe, bestimmt.

Anschließend entzündeten die Liturgen kleine Kerzen an den Altarkerzen und reichten das Licht an die Gottesdienstbesucherinnen und –besucher weiter. Gemeinsam ging die Gottesdienstgemeinde schweigend zum Kapellplatz, wo sie ihre Kerzen an den Wänden der Ruine abstellten. Hier legten Dr. Raimund Wirth, Dr. Christoph Klock, der Oberbürgermeister und der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Yücel Akdeniz, Kränze nieder. Kantor Christian Roß stimmte abschließend den Kanon „Herr, gib uns deinen Frieden“ an. Um 23.55 Uhr läuteten die Glocken der Darmstädter Kirchen, dies war der Zeitpunkt, an dem die Bombardierung am 11. September 1944 begann.


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