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Reise nach London und Coventry

privatGottesdienst in London

Ulrike Schmidt-Hesse ist in ihren letzten Wochen im Dienst der EKHN nach England gereist und hat in London gepredigt. Auch den Ursprungsort der Nagelkreuzgemeinschaft, in der die Stadtkirchengemeinde Mitglied ist, hat sie besucht. "Es war ein Beitrag zur Versöhung und eine Form des gemeinsamen Friedensengagements", so Ulrike Schmidt-Hesse.

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privatUlrike Schmidt-Hesse in Coventry

Für Versöhnung und gemeinsames Friedensengagement
Frühere Darmstädter Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse besucht London und Coventry


„Sich als Menschen unterschiedlicher Konfessionen, Sprachen und sozialer Gruppen, als Angehörige verschiedener Nationen, die verheerende Kriege gegeneinander geführt haben, als Schwestern und Brüder ansprechen zu können, ist eine große Gnade“, sagte Ulrike Schmidt-Hesse in ihrer Predigt in der St. Clement Danes Kirche in London. Die frühere Darmstädter Dekanin Schmidt-Hesse war nach dem Ökumenischen Friedensgottesdienst zur Brandacht in Darmstadt 2019, in dem der methodistische Pfarrer Paul Mellor aus Groß-Britannien gepredigt hatte, bereits 2020 nach London eingeladen worden. Wegen der Corona-Pandemie konnte der Besuch erst in diesem Jahr stattfinden. Die Verbindung war durch das Zentrum der Nagelkreuzgemeinschaft im britischen Coventry vermittelt worden, zu der die evangelische Stadtkirche in Darmstadt seit 1976 gehört. St. Clement Danes ist seit 2018 Mitglied.

Die Londoner Kirche, an der Themse gelegen, war im Mai 1941 bei einem der schwersten Angriffe der deutschen Luftwaffe auf London zerstört worden. Bei den in England „Blitz“ genannten Angriffen auf die Stadt kamen mehrere Tausend Menschen ums Leben. Daran erinnerte Ulrike Schmidt-Hesse in ihrer Predigt ebenso wie an die Opfer der Brandnacht in Darmstadt. Und sie berichtete von der Auseinandersetzung mit den Ursachen des Krieges, den Schuldbekenntnissen und der Arbeit für Frieden und Versöhnung in Kirche und Gesellschaft in Deutschland.

Im Gottesdienst wirkte auch der Dompropst von Coventry, Pfarrer John Witcombe, mit. Er sprach die Litanei der Versöhnung, die seit Ende der 50er Jahre in der 1940 durch einen deutschen Luftangriff auf Coventry zerstörten Kathedrale und in den vielen Kirchen und Zentren, die weltweit zur Nagelkreuzgemeinschaft gehören, regelmäßig gebetet wird. In der Stadtkirche in Darmstadt findet dies an jedem Freitag um 12 Uhr statt.

Zur Begrüßung in St. Clement Danes hatte der Gastgeber, Pfarrer Mark Perry, auf die Ziele der Nagelkreuzgemeinschaft hingewiesen: die Wunden der Geschichte heilen, mit Unterschieden leben und Vielfalt feiern, eine Kultur des Friedens entwickeln. Im Gottesdienst, der von Geistlichen verschiedener Konfessionen gestaltet wurde, trug eine der Pfarrerinnen und Pfarrer, die Seelsorge bei der Royal Air Force leisten, einen Abschnitt aus dem Film „Running with Mum“ (Der Weg meiner Mutter) vor, der die Erfahrungen einer Siebenjährigen in der Brandnacht schildert.

Aloisia Greaves war diese Siebenjährige. Die Vierundachtzigjährige, die die Brandnacht erlebt und erlitten hat, nahm mit ihrem Mann John, mit dem sie in London lebt, und ihrem Sohn Martin, der den Film über die Geschichte seiner Mutter gedreht hat, und dessen Ehefrau ebenfalls an dem Gottesdienst teil. „Ich bin sehr dankbar, dass wir hier gemeinsam beten können: Vater vergib“, sagte Ulrike Schmidt-Hesse in ihrer Predigt. Nach dem Gottesdienst sagte Aloisia Greaves, dass die Teilnahme „eine sehr emotionale Erfahrung“ für sie gewesen sei. Ulrike Schmidt-Hesse hatte im Vorfeld den Kontakt zu ihr gesucht.

Als Darmstädterin nach dem Krieg einen Engländer zu heiraten und dann als Deutsche in England zu leben, sei nicht einfach gewesen, berichtete Aloisia Greaves in Gesprächen. „Ichhabe Aloisia Greaves als eine mutige unkonventionelle Frau kennengelernt“, sagt Ulrike Schmidt-Hesse. Aloisia Greaves habe ihr gesagt, dass es für sie eine große Hilfe gewesen sei, dass sie und ihr Mann in der Kirche verwurzelt seien. Ulrike Schmidt-Hesse empfand es als „große Ehre und Freude“, mit ihr in Kontakt gekommen zu sein und mit ihr und ihrer Familie gemeinsam an diesem Gottesdienst teilnehmen zu können.

Schmidt-Hesse erinnerte in ihrer Predigt an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und rief dazu auf, sich als Christinnen und Christen in Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern gemeinsam gegen Atomwaffen zu engagieren. Die Gefahr, die von diesen Waffen ausgehe, wachse – und zwar sowohl durch die Zunahme ihrer Zahl und durch ihre Modernisierung wie auch durch die aktuellen russischen Drohungen im Kontext des Krieges gegen die Ukraine. „Lassen Sie uns zusammenstehen und diese Waffen ächten und abschaffen“, sagte sie.

Um Versöhnung zu erreichen, komme es darauf an, einander zuzuhören und am Leiden der Anderen Anteil zu nehmen, sagte Ulrike Schmidt-Hesse. Zukunft brauche geteilte Erinnerung. „Auch wenn wir unterschiedliche Erfahrungen haben: Christus versöhnt uns. Er macht uns zu Schwestern und Brüdern. Er lädt uns ein, unsere Perspektiven zu teilen und gemeinsam Wege zu finden, um seinem Weg des Friedens zu folgen. „Ich hoffe, dass wir in der Nagelkreuzgemeinschaft weiterhin darüber nachdenken können, wie wir Frieden stiften können und dass wir zu gemeinsamen Positionen und Aktionen kommen können.“

Nach ihrem Besuch in London reiste Ulrike Schmidt-Hesse auch in das gut eine Stunde entfernte Coventry. Hier hatte 1940 nach der Zerstörung der Kathedrale und der Stadt Dompropst Richard Howard zwei heruntergefallene Balken sowie drei Nägel aus dem Kirchendach zu Kreuzen zusammengefügt und die Worte „Father forgive“ (Vater vergib) an die Wand des Chores geschrieben. „Ein sehr beeindruckender Ort“, so Ulrike Schmidt-Hesse, „der Ort und seine Geschichte predigen.“ Die Ruinen der zerstörten Kathedrale wurden hier in den 1950er und 1960er Jahren mit einem künstlerisch hochkarätig gestalteten Neubau verbunden. In seiner sechs Wochen nach der Zerstörung im Radio übertragenen Weihnachtspredigt hatte Howard gesagt: „Wir werden versuchen, eine freundlichere, dem Christuskind entsprechendere Art von Welt zu bauen.“

Aus diesem Anfang ist eine weltweite Gemeinschaft gewachsen, zu der heute mehr als 240 Kirchen und Einrichtungen in England, Deutschland und etwa 30 anderen Ländern gehören. Zur Arbeit der Nagelkreuzgemeinschaft gehören der Austausch von Freiwilligen, Ausbildungsprogramme für Friedens- und Versöhnungsarbeit, auch theologisch-politische Positionierungen, vor allem aber geistliche Orientierung und Stärkung. Dazu zählen auch regelmäßige Pilgerwege in Coventry. Zurzeit gibt es, so Schmidt-Hesse, in der Nagelkreuzgemeinschaft Debatten über Formulierungen in der Litanei der Versöhnung – etwa über die Anrede Gottes als Vater und über den darin verwendeten Begriff Rasse. („Den Hass, der Nation von Nation, Rasse von Rasse, Klasse von Klasse trennt: Vater, vergib.“)

„In den in Coventry geführten Gesprächen habe ich erfahren, dass in England die thematische Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Krieg an Bedeutung gewinnt“, so Schmidt-Hesse. „Das ist, so denke ich, auch für uns in Deutschland ein wichtiges Thema. Daran können wir gemeinsam arbeiten - im Rahmen der Nagelkreuzgemeinschaft und in anderen Zusammenhängen der Friedens- und Versöhnungsarbeit.“ 

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