Impuls von Pfarrerin Eva Engler
Eva Engler
02.06.2021
ds_rk
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Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins grüne Tal hinein.
Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.
Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau'n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.
Wilhelm Busch
Die ersten Sommertage. Wer sich ganz altmodisch mit Papier und Stift nach draußen setzt, bekommt schnell Besuch. Ein winziger grüner Heuschreck tastet sich mit seinen langen Fühlern über das Blatt. Ein paar Zentimeter weiter wuselt eine der pünktchenkleinen Samtmilben. Sehr hübsch sind sie, diese leuchtenden Farbtupfer. Solche Momente gibt es vor allem im Sommer. Zufrieden in das Schattenspiel der Blätter blinzeln und dem Zug der Wolken hinterhersehen oder eben die kleinen Krabbler beobachten und dabei alles bei Seite schieben, was Sorgen macht. Im Sommer gelingen solche kleinen Fluchten noch am leichtesten.
Manchmal genügt schon ein kleiner Ausflug ins Grüne, um ruhiger und friedlich zu werden.
Ringsum bemerke ich allerdings auch ein zunehmendes Fluchtverhalten. Reisen heißt die große Sehnsucht. Die Flügel ausbreiten und allem davonfliegen wie ein Vogel können wir nicht, aber die Flüge in die Ferne sind wieder möglich. Nur schnell weg, damit nichts mehr dazwischen kommt! Es scheint beinahe als würde aller Feierlaune zum Trotz den Befürchtungen mehr getraut als den Ermutigungen. „Der Sommer wird gut!“, aber nur für die, die rechtzeitig geflohen sind? Wer jetzt keine Impfung bekommt, der kriegt keine mehr …? Ein Impfarzt sagte kürzlich in einem Interview, die „Zündschnüre“ seien bei vielen „kurz geworden“. Die Angst ist groß, vom Sommer nicht genug zu bekommen, zu wenig Entschädigung für die endlos gereihten Beschränkungen. Schon klingen ja immer häufiger Stimmen durch, die von der „4.Welle“ und der 3. Impfung sprechen. Also dann ganz schnell die entspannten Phasen nutzen und weg, nur weg von den langen düsteren Monaten.
Es sind nur ein paar Schritte nach draußen. Ein Platz ist schnell gefunden. Im Nachbargarten liegen die Schulsachen auf einer Decke. Unter freiem Himmel schreibt es sich leichter. Die Welt ist freundlich – auch wenn schon die ersten Mückenstiche jucken. Solange wie die dankbare Zufriedenheit dauert, ist der Atem leicht und der Sommer wird gut.
Eva Engler, Juni 2021
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