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Dr. Peter Loew bei Friedensgottesdienst in der Stadtkirche

DekanatDr. Peter Oliver Loew

Dr. Peter Oliver Loew, designierter Leiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, hat beim Friedensgottesdienst in der Stadtkirche mit Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse gesprochen. Thema war der 80. Jahrestag des Kriegsbeginns mit Überfall auf Polen. Am Mittwoch, 11. September, 18.30 Uhr findet der ökumenische Friedensgottesdienst zur Brandnacht in St. Ludwig statt.

DekanatDr. Peter Oliver Loew und Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse

„Wahrlich großes Friedenswerk mitten in Europa“
Gottesdienst mit Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse und Dr. Peter Oliver Loew vom Deutschen Polen-Institut inDarmstadt zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns

Mit einer Lüge begann der Zweite Weltkrieg. Ein angeblicher Überfall polnischer Soldaten auf einen deutschen Sender war nur fingiert. Plastisch führt Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse den Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Stadt Wielun in Polen am 1. September 1944 vor Augen, dem sechs Jahre Krieg auf dem ganzen Erdball, 60 Millionen Tote und mit dem Holocaust das „größte Menschheitsverbrechen“ folgten. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren war Anlass für den Friedensgottesdienst am Jahrestag in der Stadtkirche.

Dazu hatte die Dekanin Dr. Peter Oliver Loew, den designierten Leiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, eingeladen. Die Orgel spielte Alexander Dietzel aus Frankfurt, der mit einem Interludium zu „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ zur Besinnung einlud. Irene Helas und Dr. Malte Schlosser vom Kirchenvorstand wirkten mit säkularen und biblischen Texten in der Liturgie mit. Dabei wurde als Klage das Gedicht „In Warschau“ des polnischen Literaturnobelpreisträgers Czeslaw Milosz von 1944 vorgetragen.  Als erste Lesung brachte Peter Oliver Loew das Gedicht „Eine Elegie…(von einem polnischen Jungen)“ des Dichters Krzystof Kamil Baczinski, der beim Warschauer Aufstand 1944 ums Leben kam, auf Polnisch, dann in einer Übersetzung auf Deutsch zu Gehör, bevor die Seligpreisungen der Bergpredigt gelesen wurden.

In seiner Ansprache griff der Historiker die Umstände des Kriegsbeginns ebenfalls noch einmal als „perfide Umkehrung der Wirklichkeit“ auf. Er zitierte aus der Geheimrede Hitlers vom 22. August 1939, in der dieser die „Vernichtung Polens“ verlangt, wobei man „sein Herz hart machen soll“ - wie zynisch, so Loew.
Bei „brutalstem Vorgehen“ seien bereits Ende Oktober 16000 Polen ermordet worden, Ende 1939 allein 7000 polnische Juden. Die polnische Gesellschaft sei „umgepflügt“ worden, der jüdische Teil „herausgemordet“ worden. Von den Zwangsumsiedlungen nach 1945 sei „keine polnische Familie unberührt“ geblieben. Die Folgen des Krieges seien in Polen bis heute spürbar, so Dr. Peter Oliver Loew.

Doch hob er auch die Bemühungen um Versöhnung zwischen Deutschland und Polen hervor, wie etwa die „Ostdenkschrift“ der Evangelischen Kirche, die Antwort katholischer polnischer Bischöfe, „Aktion Sühnezeichen“ oder den Warschauer Vertrag von 1970. Die politische Annäherung ab 1980 nannte Loew ein „wahrlich großes Friedenswerk mitten in Europa“.

Dr. Peter Oliver Loew berichtete von der zeitgleichen Kundgebung zum Gedenken an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges mit Kranzniederlegung in Berlin und unterstrich die Bedeutung von symbolischen Gesten zur Versöhnung, wie eben auch durch den Friedensgottesdienst in der Stadtkirche in Darmstadt. Es sei „wichtig, nötig und  unverzichtbar, sich im öffentlichen Raum zur Verantwortung zu bekennen“.

Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse wies in ihrer Ansprache auf die Schuld der Kirche hin, die „keine Kritik am Angriff“ übte und „tief verstrickt in Hassen und Morden“ war. Im Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945 bekannte die evangelische Kirche ihr Versagen, im Darmstädter Wort von 1947 benannte sie Ursachen des Nationalsozialismus und bekannte Nationalismus, Militarismus, Rassismus und die Vernachlässigung der Sache der Armen und Entrechteten als „Irrwege“. Die Einsicht in das eigene Versagen und die Hinwendung zur Achtung der Würde aller Menschen und zur Demokratie hätten  Versöhnung möglich gemacht.

Das Gedenken am 1. September gelte den Opfern, die getötet wurden, die Leid erfahren haben und ihrer Heimat beraubt worden seien, so die Dekanin. Es gelte, „Schuld zu benennen und Konsequenzen zu ziehen“. „Es ist nicht unsere Schuld als nachgeborene Generation“, so Ulrike Schmidt-Hesse, „aber es ist unsere Verantwortung, wie wir mit den Folgen umgehen.“ Bis heute gebe es Interessen, das Ausmaß der Verbrechen und die Schuld Deutschlands zu leugnen, sagte sie, und zitierte den „Vogelschiss“-Ausspruch des Bundessprechers der AfD, Alexander Gauland. „Wir müssen äußerst wachsam sein und gegen solche Äußerungen und Einstellungen deutlich Widerspruch erheben“, mahnte die Dekanin. Sie dankte den Nachbarländern für ihr Vertrauen, dafür, dass Versöhnung stattfinden konnte und berichtete von eigenen Reisen und Begegnungen in Polen und mit Polinnen und Polen in Deutschland.

Bezugnehmend auf die Jahreslosung „Suche Frieden und jage ihm nach“, die auch der Titel der Reihe der Friedensgottesdienste war, sagte die Dekanin, dass Friede nicht einfach da sei. Man müsse sich für ihn in Bewegung setzen, „mit Energie, Tempo und Beharrlichkeit“. Frieden gebe es „nicht für lau“, er koste etwas. Beim Friedenstiften im Sinne der Bergpredigt müssten viele aktiv mitmachen – viele zusammen, auf Augenhöhe. Es gelte Brände zu verhüten und Funken auszutreten. Gott wolle, dass seine Kinder Friedensstifter sind. Es gehe nicht darum, dass „irgendjemand first“ sei: „Alle sind Gotteskinder.“ Jeder und jede habe dasselbe Recht zu leben. Es gelte, sich selbst und andere im Blick zu haben und gerechte Bedingungen zu schaffen, vor Ort und weltweit. Ohne die Haltung der Bergpredigt sei keine nachhaltige Politik zu machen.

Politikwissenschaftler hätten erforscht, dass gewaltfreie Bewegungen mehr erreicht hätten als Waffengewalt und militärische Interventionen. Gewaltfrei handeln heiße nicht, passiv zu sein und zu kapitulieren, so Ulrike Schmidt-Hesse. Im Gegenteil, es bedeute Mut und Stärke. Gewalt sei vielmehr ein Handeln aus Schwäche, und Gewalt erzeuge oft Gegengewalt.

In der EKD-Denkschrift von 2017 heiße es, dass es keinen gerechten Krieg gebe, was eine Wende in der kirchlichen Friedensethik darstelle. Krieg werde nicht mehr als Mittel der Politik anerkannt. Der gerechte Frieden werde zum Leitbild. Dabei gehe es um „gerechte Verhältnisse“. Christen seien mitverantwortlich, dass Deutschland sein politisches Gewicht für Frieden in der Welt einsetzt. Daher fordern die Kirchen auch, Rüstungsexporte massiv einzuschränken. Gewaltverzicht, Prävention und zivile Konfliktbearbeitung stehe an erster Stelle, so die Dekanin, Gewalt einzusetzen sei die „ultima ratio“, wenn Unterdrückung und Morden kein Ende nehme. Da gebe es eine Verantwortung derer, die Widerstand leisen oder als internationale Schutzmacht helfen könnten. Dietrich Bonhoeffer habe in diesem Zusammenhang von Schuldübernahme gesprochen.

Die Dekanin betonte abschließend: „Frieden braucht Gerechtigkeit.“ Das sei nicht allein zu schaffen, „wir brauchen Zusammenarbeit in Europa und wir brauchen Europa als Friedensmacht, nicht als Militärmacht“. Und sie warb für intensivere Kontakte zwischen Menschen polnischer und deutscher und anderer Herkunft. Eine Absage erteilte sie Kräften und Staaten, die sich von anderen isolieren, internationale Abkommen verlassen, gegen Solidarität mit Geflüchteten agieren und „allein nach vorn drängen auf Kosten anderer“. Sie sprach sich deutlich gegen Nationalismus, Militarismus und Rassismus aus: „Nein, nicht wieder, nicht mit uns!“ Der christliche Glaube stehe für Frieden stiften, Brandschutz betreiben. Kaltem Hass gelte es, mit Wärme zu begegnen. Es gelte Gerechtigkeit zu schaffen, Frieden zu suchen und ihm nachzujagen.

Die Reihe Friedensgottesdienste:

18. August, 10 Uhr, Ev. Stadtkirche
Friedensgottesdienst mit Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse und Oberbürgermeister Jochen Partsch
Orgel: Christian Roß

1. September, 10 Uhr, Ev. Stadtkirche
Friedensgottesdienst mit Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse und Dr. Peter Oliver Loew, Deutsches Polen-Institut
Orgel: Alexander Dietzel (Frankfurt)

11. September, 18.30 Uhr, Kath. Innenstadtkirche St. Ludwig
Ökumenischer Friedensgottesdienst mit Reverend Paul Mellor (Großbritannien), Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse und Dekan Dr. Christoph Klock
Musik: Singschule der Jugendkantorei, Kantor Christian Roß

Flyer Friedensgottesdienste

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