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Dekanin bei online-Gedenken 40 Jahre Gwangju-Aufstand

Mit einer Video-Andacht erinnerten Engagierte in der Partnerschaft zwischen Kirchen in Deutschland und Korea an den Aufstand gegen die Militärdiktatur vor 40 Jahren in Gwangju/Südkorea. Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse beteiligte sich mit einer Ansprache. Der Geist von Gwangju habe viele Menschen auf der ganzen Welt inspiriert, sich für Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen, sagte sie.

Der Geist von Gwangju inspiriert noch heute
Dekanin spricht bei Online-Gedenkfeier zum 40. Jahrestag des Aufstandes in Südkorea

Mit einer Video-Andacht erinnerten am Montag, 18. Mai, in der Partnerschaft zwischen Kirchen in Deutschland und Korea Engagierte an den Aufstand gegen die Militärdiktatur vor 40 Jahren in Gwangju/Südkorea.
Im Oktober 1979 wurde nach 18-jähriger Militärherrschaft der Präsident des Landes durch den Chef seines Geheimdienstes erschossen. Die Bevölkerung hoffte auf Demokratisierung. Zwei Monate später jedoch putschte sich ein General an die Macht. Südkorea stand erneut unter der Herrschaft einer Militärregierung. Landesweit kam es zu Unruhen und Massenprotesten. In Gwangju protestierten am 18. Mai 1980 Studierende gegen das Militärregime und das von ihm verhängte Kriegsrecht. Das Militär schlug die Proteste gewaltsam nieder. Daraufhin weiteten sich die Studentenproteste zu einem Volksaufstand aus. Das Militär ging brutal gegen Demonstrierende und  Bevölkerung vor. Zahllose Menschen wurden in den folgenden zehn Tagen getötet, verletzt oder verhaftet, die Ereignisse vertuscht. Offiziell wird heute von 154 Toten und mehr als 4000 Verletzten sowie 70 Vermissten ausgegangen. Aber niemand weiß genau, wie viele Menschen beim Blutbad in Gwangju ums Leben gekommen sind. An den Protesten waren auch Christ*innen, gerade aus der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (PROK), beteiligt. Heute gilt der Aufstand von Gwangju als Meilenstein für die Demokratisierung Südkoreas. Doch erst 1987 spitzten sich die Proteste erneut zu, die Militärdiktatur fügte sich dem Willen der Bevölkerung und gab auf.

Vertreter*innen der PROK in Gwangju und Seoul, der EKHN, der EKD, der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) und der Deutschen Ostasienmission (DOAM) kamen zur Gedenkveranstaltung um 12 Uhr (MEZ)/19 Uhr (Gwangju) zusammen. Sie stand unter dem biblischen Motto "Es gibt Hoffnung für die Zukunft" (Jeremia 31, 17). Nach einer musikalischen Live-Einspielung aus der koreanischen evangelischen Gemeinde in Frankfurt, begrüßten der Leiter des Zentrums Oekumene der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Oberkirchenrat Pfarrer Detlev Knoche, und Reverend Gwancheol Jhang, Moderator der Propstei Gwangju der PROK, die Teilnehmenden.

Dreifach erklang ein Gong. Pfarrer Detlev Knoche, Reverend Euijun Kang (PROK), Pfarrerin Sandra Scholz (EKHN) und Pfarrer Solomon Benjamin (Evangelische Mission in Solidarität) sprachen nacheinander Teile des Eröffnungsgebets. Auf die Schriftlesung (Joel 2, 12-13) durch Lutz Drescher, Vorsitzender der Deutschen Ostasienmission, folgten die Auslegungen durch den Generalsekretär der PROK, Reverend Dr. Jae Cheon Lee, und die Dekanin des Evangelischen Dekanats Darmstadt-Stadt, Pfarrerin Ulrike Schmidt-Hesse. Die Dekanin, die seit Mitte der 80er Jahre mehr als 20 Jahre lang in der Gestaltung der Partnerschaft engagiert war, erinnerte an die Männer und Frauen, die im Mai 1980 für Demokratie und Menschenrechte aufgestanden waren, an ihren Glauben, ihren Mut, ihr Leiden und ihre Solidarität. „Der Mut der Menschen in Gwangju hat eine wesentliche Rolle für die Demokratisierung in Korea gespielt“, betonte die Dekanin in ihrem Impuls. Das Wort der Schriftlesung „Zerreiße dein Herz, nicht deine Kleider“ (Joel 2,13) aufnehmend sagte sie: „Brüder und Schwestern, lasst uns unser Herz zerreißen. Wir verneigen uns vor den Zeug*innen der Freiheit des Mai 1980 und der folgenden Zeit der Unterdrückung, indem wir ihr Vermächtnis aufnehmen und Teil der Geschichte der Befreiung werden.“

Der Geist von Gwangju habe viele Menschen auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland und Korea, herausgefordert und inspiriert, sich für Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen, so Ulrike Schmidt-Hesse. Es sei ein wesentliches Element der Partnerschaft, die Traditionen der Befreiung der Bibel und der jeweiligen Geschichte zu teilen. Mit Blick auf den 75. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1945 erinnerte die Dekanin an das Schuldbekenntnis des „Darmstädter Wortes“ von 1947: „Sowohl der Geist dieser Erklärung als auch der Geist des demokratischen Aufstandes von Gwangju haben in der Partnerschaft unsere Gebete und unsere Arbeit für Frieden und Wiedervereinigung, für Gerechtigkeit für benachteiligte Menschen wie auch für die Zukunft unserer Kirchen inspiriert. “Die Demokratie sei heute an vielen Orten bedroht. Schmidt-Hesse erinnerte an die Morde in Hanau und betonte: „Wir sind solidarisch mit den Opfern und widerstehen Rassismus, Antisemitismus und antidemokratischen Haltungen und Bewegungen." Die Kirchen sollten auch in Zukunft politische Debatten und Engagement für Demokratie und Menschenrechte fördern. „Ich hoffe und bete, dass die Herzen derer, die um die Opfer von Gwangju trauern, geheilt werden“, sagte die Dekanin. „Komm, Heiliger Geist, tröste und befreie uns!“

Der Generalsekretär der PROK, Dr. Jae Cheon LEE, würdigte „die von Vertrauen getragene Partnerschaft zwischen beiden Kirchen und insbesondere die engen partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der EKHN und dem Propstei Gwangju der PROK“. Gwangju bedeute „Stadt des Lichts“. Vor 40 Jahren sei die Stadt zur "Stadt der Dunkelheit" geworden. In der Geschichte hätten die Menschen sie „Stadt der Kunst" genannt. Diese habe sich 1980 zur „Stadt der Klage“ verwandelt. Bis heute erinnere man sich an den „Schmerz der Familien der Opfer“ und an die „Wut der Freunde der Opfer“ und an die „weinenden Nachbarn der Opfer“. Dr. Jae Cheon LEE beklagte, dass nach 40 Jahren die Verantwortlichen für das Massaker immer noch nicht benannt worden seien. Er würdigte den Brief des Kirchenpräsidenten Volker Jung zum Gedenktag, der mit dem Vers „Es gibt eine Hoffnung für die Zukunft“ (Jeremia 31,17) ermutige. „Es gibt Hoffnung für die Zukunft in Gwangju, weil wir gemeinsam von einer besseren Zukunft träumen“, so Dr Jae Cheon Lee, „wir träumen gemeinsam von einer friedlichen Lösung auf der koreanischen Halbinsel.“

Das Instrumentalstück “Marching for our Beloved”, ein Lied, das zur Hymne der weitergehenden Bewegung geworden ist, erklang während des Online-Gedenkens live aus Gwangju. Mit dem Glaubensbekenntnis der Weltversammlung der Christen in Seoul 1990 bekräftigten die Teilnehmenden ihr Engagement für Frieden und Gerechtigkeit. Die Fürbitten hielten Reverend Namho Kim (PROK), Pfarrer Wolfgang Prawitz (Vorsitzender des Partnerschaftsausschusses des Dekanats Groß-Gerau-Rüsselsheim, EKHN), Sinae Han (PROK), ein Mitglied der Koreanischen Gemeinde in Frankfurt (EKHN), Sinil Park (PROK) und Martina Hofmann-Becker (Kirchengemeinde Langen, EKHN). Während des Zwischengesangs wurden im Andenken an die Opfer Kerzen entzündet. Am Ende ertönte erneut dreifach der Gong. Das Vaterunser wurde in den jeweiligen Muttersprachen miteinander gebetet, dann segnete der Moderator der PROK, Reverend Youg Soon Jong, die Teilnehmenden und verabschiedete sie. Mit dem Gefühl der Verbundenheit Solidarität und der bestärkten Solidarität endete die Video-Andacht.

Fürbitten:
Namho Kim (PROK):
Barmherziger Gott, wir erinnern uns an d Klang der Schüsse und den Aufschrei der Opfer in der Gumnam-Straße dieser Stadt. Wir glauben, dass ihr Opfer und ihre Tränen den Himmel erreichten und unser Herr sie hörte. Wir bekennen, dass wir wegen ihres Todes überleben konnten, wegen ihres Sturzes konnte dieses Land „hier und jetzt“, aktuell und modern sein. Herr, lass die Demokratie und Freiheit, die sie so dringend wollten, heute hier lebendiger am Leben bleiben. Obwohl 40 Jahre vergangen sind, lass uns durch ihren Aufschrei und ihre Hoffnung auf dem Weg zur Wiedervereinigung der Halbinsel weitergehen.

Wolfgang Prawitz (Vorsitzender des Partnerschaftsausschusses, EKHN): Gott, während wir uns an die Opfer des Gwangju-Aufstands erinnern und für ihre Lieben und Nächsten beten, danken wir dir für die erfahrene Solidarität und für die Lektionen, die wir gelernt haben. Wir danken dir für das Geschenk der Demokratie in Südkorea und Deutschland, das uns in den letzten Jahrzehnten Frieden und Wohlstand gebracht hat. Hilf uns, die demokratischen Prozesse zu stärken und zu gestalten, und geben uns den Mut, aufzustehen und Widerstand zu leisten, wenn Demokratie und Menschenrechte gefährdet sind.
 
Sinae Han (PROK):
So wie wir vor 40 Jahren durch das Gebet und die Unterstützung der deutschen Kirche und vieler anderer Christen ermutigt und ermächtigt wurden, so lasst uns jetzt  unser Gebet und unsere Liebe miteinander teilen, um diese Krise der Pandemie zu überwinden. Lass koreanische und deutsche Kirchen antworten und zusammenarbeiten im Geist der Lehre Jesu Christi zusammenarbeiten.
 
Koreanische Gemeinde (EKHN):
Gott, Quelle aller Weisheit, wir beten um Weisheit und die Gnade der Unterscheidung und Klugheit für alle, die politische und wirtschaftliche Verantwortung tragen, dass sie gewissenhafte und weitsichtige Entscheidungen treffen, die dem Wohl der Völker und dem Frieden unter den Völkern  dienen.
 
Sinil Park (PROK):
Gott, der Herr der Geschichte, wir Menschen auf Erden haben vor Gott gesündigt. Wir bekennen,  dass die Corona-Pandemie, der Klimawandel, Millionen von Flüchtlingen, Diskriminierung und Ausgrenzung, die Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich, dass all diese Probleme mit unserer Sünde zusammenhängen. Befreie uns von der Sünde, die wir begangen haben. Stärke uns, um mit diesen schwierigen Problemen umzugehen. Lass uns wissen, dass nur Gott unsere Hoffnung ist.

Martina Hofmann-Becker (EKHN):
Gott, du, der die Geschichte regiert, mit unserer tiefen Sehnsucht nach Frieden kommen wir als Schwestern und Brüder in deiner Kirche  zusammen. Wir denken besonders   an die Menschen in Korea, im Norden und Süden. Lass ihre Suche nach Einheit trotz politischer Spaltungen und Trennung Früchte tragen und ein Zeichen der Hoffnung für alle sein, die inmitten von Spaltungen Versöhnung suchen. Führe uns und sei mit uns bei all unseren Bemühungen für den Frieden.

Hintergrund Partnerschaftsarbeit:

Seit Anfang der 1980er Jahre gibt es Kontakte zwischen der PROK und der EKHN. Partnerschaftliche Beziehungen werden heute gepflegt von der Propstei Gwangju der PROK und den Dekanaten Dreieich, Rodgau und Gross-Gerau–Rüsselsheim der Propstei Starkenburg der EKHN.
Die PROK ist vor allem bekannt wegen ihres unermüdlichen Einsatzes für Demokratie, Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit, für die Wiedervereinigung Koreas und für Frieden auf der koreanischen Halbinsel.

Text Ansprache Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse:

Commemoration of the 40th Anniversary of the Gwangju Democratic Uprising
Reflections by Dean Rev. Ulrike Schmidt-Hesse, Darmstadt

Dear sisters and brothers,

the peace of Jesus Christ be with you.

We remember the men and women who stood up for democracy and human rights in May 1980 in Gwangju. We honour their struggle and their sacrifice. We commemorate those who were killed or injured.

Dear brothers and sisters in Gwangju, in Korea: as Christians in Germany we are mourning with you as your partners, as fellow-parts of the body of Christ.

In my mind‘s eye, I see the graves at the old cemetery of Mangwoldong. Graves with photographs of young men and women, persons of about my age. And I recall the big manifestation at the cemetery in 1988, when a delegation from my church participated in the memorial ceremony for the first time. I also recall the first delegation from Gwangju Presbytery to our region in the year before, when Elder Ms. Ahn Sung Rye reported on the uprising and the interpreter, a Korean woman living in Germany, could not go on interpreting as she was so shocked when she heard about the massacre.

In the many years of our partnership we met former activists and family members of persons who had been killed and injured and we listened to heart-breaking stories from May 1980 – stories of faith and courage, of suffering, of solidarity.

The courage of the people in Kwangju played - in the deeper sense of the word - a “crucial” role in bringing about democratization in Korea and we are glad to realize that this has been acknowledged and honoured by the Korean government and society. When we see the National Cemetery in our minds‘ eyes we think of this.

In the partnership relations between Gwangju Presbytery of PROK and the then Nordstarkenburg, today Starkenburg Presbytery of EKHN, the commemoration of the Gwangju Uprising has always been a key element.

Being partners means to challenge, encourage and support one another in our witness to Jesus Christ. In commemorating the uprising we challenge, encourage and support each other in our commitment to democracy and human rights. And in doing so we honour God. We honour the creator, who made every person in his/in her image. We honour Jesus Christ who liberates us from the power of sin and death and promises life in fullness for all. We honour the Holy Spirit, who inspires and strengthens us to shape our lives and our world in accordance to God’s will.      

„Rend your heart and not your garments“, says the prophet Joel.
Remembrance should not become just a ritual, a form of mourning which is formally displayed, with words which do not come from the heart and do not touch hearts.

Rend your heart. What could this mean for us today?
The German word for remembrance, „Erinnerung“, reflects the necessity to make this memory a part of your inner self. The word re-member also points to the concept of becoming a member, becoming part of this history, of this her-story.

Dear brothers and sisters, let us rend our hearts. We bow in respect to the witnesses of freedom of May 1980 and to those who carried on the struggle in the time of oppression which followed by taking up their legacy. The spirit of Gwangju has been challenging and inspiring many of us to stand up for freedom and justice – in Korea, in Germany and in other places of our world. Our becoming part of this tradition of liberation includes critical reflection of the past and the present as well. 

Only a few days ago we remembered the End of World War II in Europe and the liberation of Germany.
Recalling and sharing our traditions of liberation has always been an integral part of our partnership. Therefore, allow me to briefly recall a tradition from my church.

In 1947, two years after liberation from Nazi-Dictatorship representatives of the confessing church got together in the city of Darmstadt, from where I am speaking to you today. They wrote a declaration in which they confessed historical guilt and called the people in Germany to repentance. In the midst of hunger and misery, in the midst of the cold war this Darmstadt Declaration was a prophetic voice. 
It said: We went astray when we promoted militarism and nationalism, when we legitimized images of the others as enemies, when we were afraid of the renewal of society, when we did not stand up for the cause of the poor and disenfranchised. As church of Jesus Christ, the statement says, we know we have been released for a new and better service. It calls upon Christians and citizens to take up the responsibility which each of us has for a state, which serves the rule of law, social justice - and peace within the society and with other countries.

For me and for many others in our region the spirit of this declaration and the spirit which stems from the Gwangju Uprising together have been challenging and encouraging at the same time.

In our partnership relations our traditions of liberation have been inspiring us to pray and to work together for peace and reunification, for non-violent conflict resolution, for justice for the so-called comfort women, for migrants and refugees, also for ecological justice. And we have been reflecting on the future of our churches together, on the role of young people, on our role in civil society.
 
Democracy is at risk in many places today.
In Germany we see a rise of nationalism, a rise of groups rejecting migrants and refugees, rejecting a pluralistic society, rejecting democracy. Jewish persons are being attacked, in February in the town of Hanau, not far away from Frankfurt, nine persons of migrant background were killed. Many Christians and other citizens - Thank God! - stand in solidarity with the victims and confront racism, antisemitism and anti-democratic attitudes and forces. At the time of the present corona-crisis we have to be particularly alert.

Democracy needs active democrats - persons who get involved, take up responsibility for the common good, for our living together in justice and peace.
 
Our Churches - and I would like to relate this to Germany and to Korea - should promote critical political discussion and commitment to democracy and human rights, they should take a clear stand for the dignity and the rights of all people.

Even in a situation where the financial situation of our churches is getting worse we should not focus on the issue of numbers of members only, but always be faithful to the biblical traditions of liberation and to the traditions of liberation from our histories.   

I hope and pray that the hearts of those who are mourning the victims of the Gwangju Democratic Uprising will be healed. I hope and pray that our churches, that each of us, shall pursue freedom and justice untiringly.

Return to the Lord, our God, says the prophet, for he is gracious and compassionate.
Come Holy Spirit, comfort and liberate us! Amen.

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