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Brandnachtgottesdienst in St. Ludwig

Bewegend war der Ökumenische Friedensgottesdienst am 11. September in St. Ludwig, zu dem die Evangelische und Katholische Kirche eingeladen hatten. Dekan Dr. Raimund Wirth hielt die Predigt, Pfarrer Dr. Christoph Klock leitete die Liturgie. Oberbürgermeister Hanno Benz hielt erstmals eine Ansprache. Musikalisch gestalteten Finn Krug an der Orgel und ein Gesangsensemble unter der Leitung von Christian Roß den Brandnachtgottesdienst.

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Erinnerungskultur ist Ruhestörung

Ökumenischer Friedensgottesdienst zur Darmstädter Brandnacht 1944 und den Terroranschlägen von 2001 am 11. September in St. Ludwig


Predigt von Dr. Raimund Wirth zum Nachlesen: hier

Es ist gut, jedes Jahr wieder daran zu erinnern: an die Wunde Darmstadts, als in der Nacht vom 11. September 1944 durch Brandbomben die Stadt zerstört wurde und rund 12000 Menschen starben. Die Kirchen als Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaften beteiligen sich gern am Gedenken, sagte Dekan Dr. Raimund Wirth in seiner Predigt: „Wir Kirchen leisten gerne unseren Beitrag für die Erinnerungskultur in unserer Stadt. Ökumenisch und gemeinsam mit vielen anderen in der Zivilgesellschaft. Gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen“, so der Dekan.

Er berichtete von seiner „persönlichen Geschichte mit dem 11. September“ als Nicht-Darmstädter Bewerber auf die Pfarrstelle in der Paulusgemeinde, von den folgenden Gesprächen mit Gemeindegliedern über die Schreckensnacht. „Ich erfuhr, wie die Brandnacht Biographien verändert hat. Nicht nur durch den Verlust von Angehörigen und Freunden oder des Wohnraums. Auch dadurch, dass nicht weniger die Brandnacht als Fanal der Umkehr sahen, als Ruf in ein anderes Leben“, sagte Wirth.

Das Läuten der Kirchenglocken jedes Jahr am 11. September um 23.55 Uhr, zu der Zeit, als der Angriff damals begann, sei ein Zeichen dafür, dass Erinnerungskultur auch Ruhestörung sein müsse, auch wenn sich viele zumeist Unwissende über die nächtliche Störung bei ihm als Pfarrer beschwerten. Eine Erinnerungskultur müsse den Alltag unterbrechen.

Aus der Verantwortung könne man nicht aussteigen, mahnte Dr. Raimund Wirth und nannte das „Bild von der Geschichte, die gewebt wurde und weitergewebt wird“. Niemand sei aus dem Nichts und in ein Nichts geboren, niemand lebe im geschichtslosen Raum“. Zu der deutschen Geschichte gehörten die Verbrechen, die von deutschem Boden ausgingen, daraus erwachse eine Verantwortung, die Verantwortung des „Nie wieder“. Wichtig sei der Zusammenhalt der Gesellschaft, so Dr. Raimund Wirth: „Deshalb pflegen wir bewusst die gemeinsamen Erfahrungen, die gemeinsamen Erzählungen und Rituale.“ Menschlichkeit und Verständigung sollen den Umgang miteinander prägen. Für 2024, wenn sich die Brandnacht zum 80. Mal jährt, könnte sich der Dekan ein „großes Gedenk- und Friedensfest“ vorstellen.

„Wir gedenken heute aller Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des von Deutschland ausgegangenen Angriffskrieges wurden“, sagte der neue Oberbürgermeister Hanno Benz in seiner Ansprache. „Wir sind es den Opfern und den Überlebenden schuldig, uns mit diesem Leid, in angemessener Form auseinanderzusetzen“, so Benz, „die Opfer der Brandnacht sind unvergessen. Ihr Leben und ihr Schicksal sind und bleiben Teil unserer kollektiven Erinnerung. Wir nehmen Anteil an Ihrem Schicksal und ziehen Lehren für die Zukunft.“

Im Blick auf die gegenwärtige politische Lage mahnte das Stadtoberhaupt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar - dies ist das oberste Prinzip unserer freiheitlichen Demokratie. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln müssen wir diese schützen und uns gegen eine Politik stellen, die unsere Gesellschaft spaltet, Hass und Vorurteile gegen Minderheiten schürt und gegen Andersdenkende polemisiert.“ In Bezug auf den Krieg in der Ukraine sagte Benz: Wir Darmstädter verstehen nur zu gut, wie es den Menschen in der Ukraine geht und wir werden uns auch weiterhin solidarisch zeigen. Wir sind es den nachfolgenden Generationen, aber auch den Opfern von Krieg und Vertreibung schuldig, weiterhin für Frieden und Versöhnung einzutreten.“

In Bezug auf rechte Tendenzen im Land mahnte er: „Wir dürfen nicht zulassen, dass offen demokratiefeindlich auftretende Kräfte an die Hebel staatlicher Macht gelangen – weder auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.“

Pfarrer Dr. Klock, Pfarrer von St. Ludwig und leitender Pfarrer des Pastoralraums Darmstadt-Mitte, leitete die Liturgie. Dr. Annette Laakmann, Präses der Dekanatssynode des Evangelischen Dekanats, hielt die Lesung. Musikalisch gestalteten Finn Krug an der Orgel, der für den erkrankten Regionalkantor Jorin Sandau eingesprungen war, und ein Gesangsensemble unter der Leitung von Stadtkirchenkantor Christian Roß den Brandnachtgottesdienst. Dazu gehörten Anna Koch, Anna Behrens, Katharina Blauert, Katharina Roß und Martin Wahlers.

Im Anschluss folgte ein Gang mit Kerzen durch die Stadt zum Mahnmal am Kapellplatz, wo Oberbürgermeister Hanno Benz, Stadtverordnetenvorsteher Yücel Akdeniz, Dekan Dr. Raimund Wirth und Pfrarrer Dr. Christoph Klock einen Kranz zum Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt niedergelegt wurde. Das Gedenken an die Brandnacht und die Terroranschläge schloss mit dem „Großen Geläut“ der Darmstädter Kirchenglocken um 23.55 Uhr. Um diese Uhrzeit begann die Zerstörung Darmstadts am 11. September 1944. Der Gottesdienst war Teil des Programms der Stadt Darmstadt zum Gedenktag. 

Hintergrund:

In der Nacht vom 11. zum 12. September 1944 war Darmstadt, die damalige hessische Landeshauptstadt, das Ziel von 234 Bombern der fünften Luftflotte der britischen Royal Air Force. Sie zerstörten oder beschädigten rund 80 Prozent der Häuser in der Alt- und der Kernstadt. Rund 12 000 Menschen starben, rund 66 000 von damals 110 000 Stadtbewohnern wurden obdachlos.
Bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington fielen mehr als 3000 Menschen den von der islamistischen Terrororganisation Al Kaida verantworteten Flugzeugentführungen mit anschließenden Selbstmordattentaten auf das World Trade Center und das Pentagon zum Opfer.


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