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Studie

Sexualisierte Gewalt: Kirche entschuldigt sich bei Betroffenen

© gettyimages, goliboMenschen, die konkrete Fälle wollen, finden in der EKHN Ansprechpartner:innen

Am 25. Januar 2024 wurde die unabhängige Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche "ForuM" veröffentlicht. Wie geht Hessen-Nassau mit grenzüberschreitenden Handlungen, sexualisierter Gewalt und dem Thema Missbrauch um? Eigenes Schutzkonzept des Dekanats.

Am 25. Januar wurden die Ergebnisse einer unabhängigen Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) übergeben, die diese Aufarbeitungsstudie bei dem Forschungsverbund ForuM in Auftrag gegeben hatte. Drei Jahre lang hatte dieser auf Basis von Daten aus den 20 Landeskirchen gearbeitet. Nun beschäftigen sich diese intensiv mit den Ergebnissen und erarbeiten weitere Maßnahmen zur Prävention.

Die Studie ergab aus den Akten im Zeitraum von 1945 bis 2020 mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter. Die Dunkelziffer sei jedoch wesentlich höher. Als besonderen Risikofaktor macht die Studie auch ein Machtgefälle zwischen Beschuldigten und Betroffenen aus. "Wir übernehmen als evangelische Kirche und Diakonie Verantwortung für die Gewalttaten, die von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen unserer Institution begangen wurden", sagte Bischöfin Kirsten Fehrs, die amtierende Ratsvorsitzende der EKD bei der Pressekonferenz anlässlich der Übergabe der Studie, "ich kann Sie, die Sie so verletzt wurden, nur von ganzem Herzen um Entschuldigung bitten." Sie räumte zudem im Umgang "eklatantes Versagen" ein. Die Studie empfiehlt einheitliche verbindliche Interventionsverfahren.

Die EKHN hat sexualisierte Gewalt seit zwei Jahrzehnten zu einem Schwerpunkt ihrer Präventionsarbeit gemacht. Betroffenen Menschen hilft die EKHN schon heute individuell und unbürokratisch. Dies kann nur ein Teil der Arbeit sein. Um auch systemisch bedingte Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie zu kennen und gegen sie vorgehen zu können, hat die Synode der EKD 2018 die Aufarbeitungsstudie ForuM beschlossen. Durchgeführt wurde sie von Forschenden von verschiedenen deutschen Universitäten und Instituten.

Die EKHN wird die Ergebnisse der ForuM-Studie gründlich studieren und nimmt diese sehr ernst. Auch das bundesweite Beteiligungsforum der EKD, in dem betroffene Personen vertreten sind, wird sich mit der Studie beschäftigen, und es werden Gespräche mit der EKHN und den anderen Landeskirchen stattfinden. Ziel des Beteiligungsforums ist es, der EKD-Synode im November 2024 Maßnahmen vorzulegen.

Schutzkonzept des Evangelischen Dekanats Darmstadt
Prävention im Evangelischen Dekanat Darmstadt

Volker Jung: Risiken besser erkennen

Auch die EKHN wird selbstverständlich neue Erkenntnisse der ForuM-Studie in ihre Arbeit einfließen lassen, um von sexualisierter Gewalt betroffene Personen besser zu unterstützen und um geschehenes Unrecht aufzuarbeiten und neues zu verhindern. „Sexualisierte Gewalt zu bekämpfen, betroffenen Personen Recht zu verschaffen und ihr Leid anzuerkennen, ist der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und auch mir persönlich seit vielen Jahren ein besonderes Anliegen“ erklärte Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN. Der Kirchenpräsident stellt aber auch fest, dass die ForuM-Studie "erschreckende Hinweise auf institutionelles Versagen gibt." Deshalb bittet er darum, über die Zahlen hinauszuschauen, die heute veröffentlicht wurden. Er erläutert: "Zum einen, weil ich ahne, dass das Dunkelfeld größer ist. Zum anderen, weil hinter den Zahlen Menschen stehen. Menschen, die Leid erfahren haben, und zwar in einem Umfeld, das von Gottes Gnade und Nächstenliebe geprägt sein sollte."

Kirchenpräsident Jung versichert, dass in der EKHN die Studienergebnisse genau betrachtet werden. Mit der EKD und dem Beteiligungsforum zusammen sollen Ableitungen getroffen werden. "Diese Ergebnisse werden uns helfen, Risiken in unseren kirchlichen Strukturen zu erkennen und in unsere Schutzkonzepte einzuarbeiten. Ein Blick auf die Empfehlungen zeigt, dass seit 2020 schon wieder einiges geschehen ist. Das zeigt: Wir lernen. Ich verspreche: Wir wollen und werden weiter lernen", so Kirchenpräsident Jung.

Zudem betont er: „Wenn sich von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen jetzt ermutigt fühlen, sich bei uns zu melden, begrüße ich das sehr. Wir werden alles daransetzen, Verdachtsfällen nachzugehen und Fälle aufzuarbeiten.“

Anlaufstellen für von sexualisierter Gewalt betroffene Personen

Eine erste Anlaufstelle ist die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN, die erreichbar ist unter geschaeftsstelle@ekhn.de oder unter 06151-405 106. Ein anonymes Meldeportal gibt es hier: https://ekhn.integrityline.app/.

Außerhalb der EKHN gibt es ebenfalls Anlaufstellen, diese sind beispielsweise hier zusammengefasst.

Zahlen der EKHN in Forum-Studie
Die ForuM-Studie erfasst Verdachtsfälle und bestätigte Fälle, in denen eine erwachsene, bei der EKHN haupt- oder ehrenamtlich beschäftigte Person sexualisierte Gewalt an Minderjährigen ausgeübt hat oder der Verdacht bestand. Davon sind in der EKHN im erfragten Zeitraum von 1945 bis 2020 45 Fälle bekannt. Diese Zahl haben wir den Autor:innen der ForuM-Studie übermittelt. Nach unserem aktuellen Kenntnisstand waren die Täter*innen und beschuldigten Personen überwiegend Pfarrpersonen.

EKHN bereits seit zwei Jahrzehnten aktiv gegen sexualisierte Gewalt
In der EKHN prägen die Erfahrungen aus der Aufarbeitung der Schicksale von Kindern in evangelischen Heimen, wie wir von sexualisierter Gewalt betroffene Personen begleiten. Hier leistete die EKHN insofern Pionierarbeit, als dass von Anfang an betroffene Personen einbezogen waren. Diese Ansätze waren bundesweit wegweisend und flossen auch in den Aktionsplan der EKD gegen sexualisierte Gewalt ein.

Ein wichtiger Schritt, um gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen, war die Verabschiedung des Gewaltpräventions-Gesetzes von 2020. Es fasst zahlreiche Einzelmaßnahmen auch aus den Jahren und Jahrzehnten zuvor zusammen und definiert unter anderem klare Standards zu verpflichtenden Schutzkonzepten in kirchlichen Einrichtungen. Es stellt außerdem verbindliche Verhaltensanforderungen an Haupt- und Ehrenamtliche, wie zum Beispiel ein Distanz- und Abstinenzgebot in besonderen Macht- und Vertrauensverhältnissen und bei besonderen Abhängigkeiten auf. Verbindlich werden darin neben der Prävention auch Intervention und Aufarbeitung festgelegt.

Im Oktober 2022 hat in Hessen-Nassau eine unabhängige Anerkennungskommission ihre Arbeit begonnen. Sie ist von der Kirchenleitung der EKHN berufen worden, um die Verantwortung der Kirche für erlittene sexualisierte Gewalt im Raum der EKHN und ihrer Diakonie durch Anerkennungsleistungen zum Ausdruck zu bringen. Eine solche Leistung kann erlittenes Unrecht selbstverständlich nicht ungeschehen machen, aber sie will zeigen, dass Vorfälle aufgearbeitet werden und betroffene Personen Recht erfahren sollen.
2022 nahm dann die oben erwähnte Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt ihre Arbeit auf. Das interdisziplinäre Team ist direkt dem Kirchenpräsidenten zugeordnet und arbeitet unter Einbindung einer betroffenen Person.

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